
Markenmehrwert
Marke hat Herkunft
Bedenken, wo sie herkommen, müssen auch die Unternehmen: Citroën genauso wie Mennekes Elektrotechnik, Bürger Maultaschen, und Vorwerk Staubmixer. Neben der geographischen Prägung gehören Faktoren wie Selbstverständnis, Kompetenz, Technologien und Entwicklungen und glaubwürdige Geschichten zur Identität. Wer zu viel will und sich verzettelt, hat bald zu viele Stempel im Pass und weiß dann nicht mehr, wo die Heimat ist. Deshalb ist es falsch zu behaupten, man sei „in der Welt zuhause“, mit vielen Produkten für viele Branchen für jeden und überall. Walter Mennekes, der Seniorchef des Weltmarktführers bei Industrie-Steckverbindungen, ist und bleibt im Sauerland zuhause. Da baut er Stecker für die Welt: „Unsere Marke ist ein Versprechen: Nur wo Nutella draufsteht, ist auch Nutella drin.“ Derzeit expandiert er mit deutlichem, aber kalkulierbarem Risiko in den Bereich Elektromobilität, und dabei konnte sich der Mittelständler gegen große Konzerne durchsetzen, als es darum ging, den europaweiten Standard bei Ladesteckern für Elektroautos zu setzen. Kernkompetenz Stecker. Mennekes würde niemals in Fisch machen und in anderes Steckerfremdes auch nicht. Selbst in Plastikspielzeug nicht, das man aus dem gleichen Kunststoffgranulat und auf denselben Maschinen spritzen könnte wie Stecker. Dafür ist die Identität von Mennekes viel zu eindeutig.
Beim Maultaschenmarktführer Bürger wird sich noch herausstellen, ob die Zweit- und Drittlinien gute Ideen sind: Die Range mit Speck-, Leber-, Semmel-, Spinat- und Kartoffelknödeln lässt man vielleicht noch durchgehen; die bayerische Esskultur ist der schwäbischen grundähnlich. Dem Markenexperten erschließt sich jedoch nicht, wie in fünf Minuten fertige Pfannen-Grillers und ganz besonders dampfgegarte Pasta al dente aus dem Kühlregal mit den Kernkompetenzen Schwaben, Maultasche und Spätzle passen. Hoffnung für die Bürgers gibt es dennoch, Vorwerk macht es vor: In Wuppertal ist man in der Staubsauger- und der Fenster- und Bodenreinigungswelt daheim. Trotzdem wurde die Thermomix-Küchenmaschine, sogar ganz unbefangen gemeinsam beworben mit dem Kobold-Staubsauger, ein genauso grandioser Erfolg. Nach den Identitätsregeln der Markentechnik geht das nicht, weil das eine mit Schmutz, das andere mit essen zu tun hat. Geht es doch, weil es in der Markentechnik keine Regeln, sondern bestenfalls Überzeugungen und Fallbeispiele gibt. Sonst wäre es ja Mathematik.
Wer keine Identität hat, hat die Identität von Max Mustermann. Er ist austauschbar. Das erkannte auch die Unternehmensführung bei der TUI. Sie befand sich mit den Neckermanns, Touropas, Thomas Cooks und Hapag-Lloyds im weiten Ozean der Gleichförmigkeit, bevor man sich in Hannover festlegte: auf den Markenkern „Lächeln“ als ultimativen Nutzen für die Reisenden. An den Kundenkontaktpunkten sollen die Mundwinkel die Ohrläppchen küssen vor feinsinniger Begeisterung, und da soll sich beim Weltenbummler das Gefühl einstellen, das die Markenwerte näher beschreiben: Horizont erweitern, Leben genießen, Erwartungen übertreffen. Seit die TUI sich eine Identität gegeben hat, hat sie ein Gesicht. Große Leistung der Kreativen, die aus Marke Marketing machen: Die Buchstaben und der Markenkern finden sich im Logo wieder – ein lächelnder Mund. Auf einmal hebt sich sie TUI von ihren Wettbewerbern ab, und sie hat im Reisebüro genauso wie am Flughafen und im Hotel ein Gesicht in der Menge. Da ist es egal, weshalb die TUI TUI heißt. (Es ist die Abkürzung für Touristik Union International.)